Wenn Stillen nicht klappt ...

Fläschchen

Wenn Stillen nicht klappt ...

Das Fläschchen zu geben ist bei vielen Müttern immer noch mit einem schlechten Gewissen verknüpft. Weltweit sind Mütter überarbeitet, unterbezahlt, oft einsam und haben Schuldgefühle wegen allem – von der Periduralanästhesie bis zum Füttern ihrer Babys mit der Babyflasche. Auch wenn mittlerweile gefühlt jede zweite Mutter ihrem Baby zusätzlich zum Stillen oder ausschließlich das Fläschchen gibt, wird dies gerne verschwiegen oder versteckt. Wir geben dir einen Einblick in die Hintergründe rund um das “Fläschchen geben”.

Stillen ist dem Fläschchen vorzuziehen?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Säuglinge in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen.

Es steht außer Frage, dass Muttermilch im ersten halben Lebensjahr die beste Wahl für ein Baby ist. Die positiven Effekte des Stillens auf die Gesundheit von Kind und Mutter sind vielfach belegt. Aber mal ganz ehrlich, was, wenn es eben nicht klappt? Und es gibt viele Gründe, weshalb es mit dem Vollzeitstillen nicht klappen könnte. Deshalb ist es schade, dass so wenig darüber gesprochen wird.

“Ich erinnere mich noch gut an das DIN A0 Plakat, das bei meiner Hebamme im Wartebereich glänzte. Von der Decke bis zum Fußboden beeindruckte die Liste an Pros der Muttermilch. Für die Contra Seite hätte ein Notizzettel gereicht. 100 gegen 5, gut gegen schlecht. Auch wenn die Liste medizinischen Ursprungs war, geht es im Kern um viel mehr.” – Melanie B. 28, München.

 

Mögliche Hürden für das Stillen

Schauen wir uns mal eine Liste an möglichen Gründen an, weshalb sich eine Frau dazu entschließen könnte, ihrem Baby nicht die Brust zu geben. 

  • Körperliche Hindernisse: Probleme mit der Brust, Milchbildung, etc.
  • Emotionale Schwierigkeiten beim Stillen
  • Notwendigkeit der Einnahme von Medikamenten
  • Die bewusste Entscheidung der Mutter, die Stillzeit zu beenden
  • Rückkehr in das Berufsleben
  • Mangelnde Aufklärung nach der Geburt zum Stillen 
  • Familie ohne Busen
  • Usw. 

 

Geschichte des Fläschchens

Die oben genannten Hindernisse sind nicht neu. Babyflaschen gibt es nicht erst seit gestern. Die Nutzung von Saugflaschen ist schon in der Antike belegt.  Es gibt Schriften aus dem 15. Jahrhundert v. Chr., in der empfohlen wird, ein Gemisch aus Kuhmilch und gekochten Weizenkörnern an Babys zu füttern, falls die Mutter nicht stillen konnte. 

Und zwischen dem 18. Und 19. Jahrhundert erlebte Muttermilchersatznahrung ihren Höhepunkt aufgrund des Mangels an Ammen. Von Tierhörnern über Zinn und Porzellan sind Fläschchen mittlerweile aus Plastik oder am besten aus Glas.

Milchnahrung wechseln

 

SuSe und KiGGS Studien: Zahlen zu Brust oder Fläschchen

Es gibt zwei bekannte Studien zum Stillverhalten in Deutschland, die SuSe Studie I und II aus dem Jahr 1998 und 2018 sowie die KiGGS Studie I und II aus dem Jahr 2012 und 2017.

Nach der KiGGS Studie ist die Stillquote direkt nach der Geburt mit 82 % hoch und fällt nach dem zweiten Lebensmonat ab. Zwischen dem vierten und sechsten Monat praktizieren 40 % ausschließliches Stillen.

Die SuSe Studie berichtet von einem Anstieg des ausschließlichen Stillens im vierten Monat in den letzten 20 Jahren. Im Alter von vier Monaten liegt die Stillquote bei 56 % für ausschließliches Stillen und 82 % für Stillen überhaupt.

Ohne viele Worte wird klar: Ungefähr jede zweite Mutter füttert nach dem 4. Monat ihrem Baby Milchnahrung, mit dem Fläschchen (zusätzlich zum Stillen oder ausschließlich). 

Stillen wunde Brustwarzen

Das Thema ‘Fläschchen geben’ wurde in keine der Studien große Aufmerksamkeit geschenkt. Wie sollen Eltern, die nicht stillen können (oder wollen!) Zugang zu Informationen erhalten, wenn so getan wird als gäbe es diese Gruppen nicht?

 

Wenn Stillen nicht klappt: Persönliche Stillgeschichten von zwei Mamas

I.

“Ich habe meiner Tochter Milchnahrung mit dem Fläschchen gegeben. Erinnere ich mich zurück, gab es Momente, da haben meine Brüste einfach nicht mitgemacht. Milchstaus vom Allerfeinsten. Aus der Brust kommt nichts. Ich krank mit Fieber, meine Tochter frustriert. Oder Brust leer getrunken, sie aber nicht satt. 

Bald nach der Entbindung stand ich in der Apotheke für eine Milchpumpe (und Einfrier-Tütchen) an. Ganz nach dem Motto “Abpumpen kann ja nicht so schwer sein“. Ein paar Tage und unzählige Versuche später kam dann die ernüchternde Bilanz. Mit den paar Tröpfchen können wir nichts anfangen. Es funktionierte einfach nicht.

Abseits meiner Physis wollte mein Kopf auch nicht mehr. Zum Beispiel musste ich auch mal abschalten und ins Kino. Oder für meinen Job vor den Laptop arbeiten. Mein Partner und ich haben unsere Eltern- und auch Arbeitszeit aufgeteilt. Guess what: es war die Flasche, die mir dies erst ermöglichte. 

Blicke ich mit meinem heutigen Mama-Ich (nicht schlauer, aber erfahrener) auf die Zeit zurück, so kann ich wohl sagen, dass ich nichts unversucht ließ. Wir be- und verurteilen uns selbst und andere Mamas unentwegt. Es ist das Recht jeder Mama selbst zu entscheiden warum sie stillt oder auch nicht." – Inga M. 38, Berlin

 Muttermilchpumpe

II.

“Stillen hat bei mir nicht geklappt. Deshalb habe ich 10 Monate lange die Milchpumpe benutzt und zu Beginn alle 3 Stunden abgepumpt, auch nachts. Also 8 Monate voll und dann 2 Monate auslaufen lassen und Pre-Milch zugefüttert. Wie es dazu kam? 

Wir hatten eine traumatische Geburt inklusive Kaiserschnitt. Mein Körper war so kaputt und ich war so gestresst, dass an Stillen zu Beginn nicht zu denken war. Als ich dann Stillen wollte, gab es im Krankenhaus keinen Moment der Ruhe. Ständig ist jemand ins Zimmer reingekommen. Auch konnte ich keine Stillpositionen ausprobieren, weil ich mich mit meiner Narbe nicht bewegen konnte. Wie sollten wir so eine Stillbeziehung aufbauen? Also habe ich angefangen abzupumen - immer und überall.

Der Gedanke, dass ich bald wieder abpumpen muss hat mich monatelang begleitet. Hinzukommt, dass die Vor- und Nachbereitung von Fläschchen aufwendig ist: sauber machen, desinfizieren, Pumpe durch die Gegend schleppen, nachts abpumpen usw.  Es war ein riesen Aufwand und natürlich schwingt immer ein schlechtes Gewissen mit.” - Magda W. 34, Stuttgart

 

Warum gibt es so wenige Mamas, die ihr Baby mit dem Fläschchen in der Öffentlichkeit füttern? Wo seid ihr Mamas?

"Als Mutter habe ich mich verzweifelt einsam und unerträglich gedemütigt gefühlt durch grinsende Fremde im Bus."

 

Fläschchen in den Sozialen Medien

 

 

 

Fläschchen in der Öffentlichkeit

Fläschchen. Wo seid ihr? Wir wissen, dass es sie gibt, dennoch tauchen sie in der Öffentlichkeit seltener auf als Mamas Brüste, die ein Baby stillen. Wir begrüßen beides gleichermaßen: Mamas Brüste und auch Babyfläschchen in der Öffentlichkeit zu zeigen. 

Es ist nicht nur der äußere, sondern auch der innere Druck, stillen zu müssen. Genau deshalb fühlen sich so viele Mamas angreifbar, wenn sie ihrem Baby das Fläschchen geben – von Blicken und ungefragten Kommentaren von Fremden, Bekannten, Freunden oder Verwandten. 

 

Auch Mütter haben Depressionen

Es gibt Mütter, die mit dem andauernden schlechten Gewissen nicht gut genug zu sein als Mutter so sehr hadern, dass sie an einer Depression erkranken. Wir  haben uns mit dem Thema Depression mit einem Fokus auf die Zeit im Wochenbett befasst und eine erfahrene Psychologin dazu interviewt: Wochenbettdepression.

 

Zu guter Letzt: #noShameInYourFeedingGame 

Mama, du bist nicht allein. Du bist die Expertin, wenn es um dich und dein Baby geht. Die Entscheidung, zum Fläschchen und zur Milchnahrung zu greifen hast du nicht leichtfertig gemacht. Auch, wenn Stillen nicht klappt, du machst einen großartigen Job und hast dein Baby nicht im Stich gelassen, weil du ein Fläschchen zum Füttern deines Babys verwendest: #noShameInYourFeedingGame

 

Quellen:

WHO

KiGGS Studie

SuSe Studie

Geschichte des Fläschchens

 

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