Gleich vorweg ein wichtiger Hinweis, bevor du diesen Artikel hoffentlich mit Freude verschlingen wirst: Dein Baby wird mit deiner Liebe und all deinen Anstrengungen aufwachsen. Egal wie sehr du dich auch bemühst, du wirst nie wirklich dazu fähig sein alle noch so kleinen Bewohner des Darms kontrollieren zu können, dass kann wirklich niemand.
Mikroorganismen – um, auf und im Körper
Bakterien sind einfach überall. Aber nicht nur Bakterien: auch Pilze, Hefen und unzählige weitere Mikroorganismen, welche komplexe mikrobakterielle Gemeinschaften bilden.
Sie leben um, auf und in uns: Auf Türklinken, Kugelschreibern, Rutschen und Schaukeln, aber auch auf der Haut, im Verdauungstrakt, in den Atemwegen, im Genitalbereich und auch in der Muttermilch bei Müttern. Dabei gibt es “schlechte” Bakterien, die uns krank machen, aber ebenso millionenfach “Gute”. Die “Guten” unterstützen uns und auch den Körper deines Babys dabei, gesund und glücklich zu bleiben oder zu werden.
Interessanterweise befindet sich das mit Abstand größte Aufkommen an Bakterien im menschlichen Körper im Darm, genauer im Dickdarm: mehr als 90 %. Hier leben um die 100 Billionen Bakterien und bilden die Darmflora beziehungsweise das Mikrobiom. Richtig, 100 Billionen, das sind ziemlich viele Nullen, um genau zu sein 12 Nullen. Dabei ist die Zusammenstellung der Darmbewohner, bzw. der Bakterienstämme, so individuell wie ein Fingerabdruck.
Denn im Laufe unseres Lebens kommen wir und auch unsere kleinen Babys mit unterschiedlichen Menschen und Dingen und mit deren Mikroorganismen in Kontakt.
Das individuelle Mikrobiom entwickelt sich in den ersten vier Lebensjahren und bleibt dann nach aktuellen Forschungsergebnissen relativ stabil. Bei einem normal gesunden Menschen leben deutlich mehr “gute”, um die 85 %, und nur um die 15 % “schlechte” Bakterien.
Aufgaben: Verdauung, Immunabwehr und Kommunikation mit dem Hirn
Zu den nützlichen Aufgaben des Darms zählt die Verdauung und damit die Aufnahme der Nährstoffe. Ohne die Hilfe der Bakterien im Darm würden Vitamine, Mineralstoffe und Aminosäuren aus dem zermatschten Nahrungsbrei nicht so leicht über die Darmschleimhaut ins Blut und in den Rest des Körpers gelangen. Okay, Babys Essen ist meistens schon matschig, oder flüssig bevor es im Magen ankommt, trotzdem wird es vom Körper bis zum Dünndarm nochmals verkleinert.Weiter schützt uns das Darmmikrobiom vor Infektionen, also Krankheiten. Denn Immunzellen werden quasi im Darm ausgebildet. Somit spielen Bakterien eine wichtige Rolle bei Babys und unseren Abwehrkräften. Werden gute Bakterien im Darm zerstört, kann es passieren, dass Abwehrkräfte darunter leiden bzw. nicht gebildet werden.
Schon mal vom Glückshormon Serotonin gehört? Dieses wird zu 90 % im Darm produziert und an das Gehirn weiter geleitet. Ein Grund, weshalb der Einfluss von Darmbakterien auf Depressionen erforscht wird: die Kommunikation vom Darm mit dem Hirn.
Bei Babys befindet sich beides noch in der Entwicklung. Aber genau deshalb wird die Unterstützung des Aufbaus der Mikrobiota im Darm nach der aktuellen Studienlage mit einer gesunden Ernährung empfohlen.
Exkurs Präbiotika in Folge-Babymilch: Ein kurzer Ausflug zu den beiden guten Bakterien Bifidobakterien und Laktobazillen, die in der Darmflora leben. Von denen hast du vielleicht sogar schon mal gehört, sie sind nämlich recht populär im menschlichen Darm. Damit die beiden Bakterienstämme ihre Arbeit machen können, brauchen sie das richtige Futter. Das erhalten sie etwa über Präbiotika wie GOS. Check am besten die Verpackungen und Zutatenliste von Folge-Babymilch, um zu erfahren, ob GOS enthalten sind.
Kommunikation Darm-Hirn-Achse
Darüber wie sehr Darm und Hirn zusammenhängen, bist du dir als Mama oder Papa vermutlich voll und ganz im Klaren. Die beiden sind für die allererste Gefühlswelt von Säuglingen verantwortlich. Dein Baby liebt es satt zu sein, ist verzweifelt, wenn es hungrig ist und quengelig, wenn es Blähungen hat. Das “Ich” von Babys besteht stark fühlbar aus Darm und Hirn.
Jedoch werden nicht alle Informationen vom Darm an das Gehirn weitergeleitet. Nicht jedes unzerkaute Krümelchen hat im Gehirn was zu sagen. Es gibt Informationen, die der Darm selbst verarbeitet. Wenn jedoch etwas im Darm passiert, wovon das Gehirn wissen sollte, wird diese Information über den Vagus Nerv an das Gehirn geleitet und muss noch an dem Türsteher des Gehirns, dem Thalamus, vorbei. Erst dann kommt die Information in Babys oder unser Bewusstsein. Solche Informationen, die durchkommen sind etwa vom Schmerz- und Brechzentrum – “Achtung gleich geht es los, wo ist die Toilette?” Oder eben: “Hilfe Mama, Papa lasst mich nicht alleine!”
Stress ist ein Beispiel für eine Kommunikation in die andere Richtung. Befindet sich der Körper im Stress, braucht er mehr Energie, die er auch aus dem Darm bekommt. Der Darm fährt seine Aufgaben herunter, um dem Gehirn zu helfen. Darunter leidet dann aber der Verdauungsprozess, weshalb es beispielsweise zu Durchfall kommen kann und so weiter.
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Es gibt zahlreiche Forschungen zu dem Thema der Darm-Hirn-Achse. Aber auch generell zu Hypothesen über den Einfluss des Darms auf kognitive und normale gesundheitliche Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern. In den letzten Jahren wurde viel über das Thema in den USA und Europa geforscht. (Am Ende des Artikels findest du eine Übersicht an interessanten Studien.)
Wie sich die Darmflora aufbaut
Ebenfalls spannend ist die Frage, wie sich Babys Mikrobiom entwickelt. Wohlgemerkt, der Körper braucht um die vier Jahre, bis er eine stabile mikrobielle Gemeinschaft erstellt hat. Egal wie sehr du auch das Beste für dein Baby möchtest, sei dir bewusst, dass du nicht jede Bakterienart in der Darmflora deines Babys bestimmen kannst. Warum wird in diesem Abschnitt nochmals deutlich.
Schwangerschaft
In der Vergangenheit ist man davon ausgegangen, dass Föten komplett steril seien und Babys erst beim Geburtsvorgang mit den ersten Bakterien in Kontakt kommen. Jedoch wurde das mittlerweile widerlegt. Ein paar Bakterien können anscheinend sogar während der Schwangerschaft vom Vater über den Hautkontakt mit der Mutter zum Fötus gelangen. Klaro spielen Mikroben auf und in Mamas Körper dabei auch eine Rolle: was sie isst, wieviel Stress sie hat und so weiter.
Geburt
Bei einer vaginalen Geburt erhält ein Baby von seiner Mutter den idealen Mix aus Darm- und Vaginalmikroben und später eventuell auch gleich Bakterien aus der Muttermilch. Früher wurden diese wichtigen Bakterien direkt abgewaschen. Es darf aber ruhig “schmutzig” sein. Im Idealfall wird das Baby – ohne extra abgeschrubbt zu werden – in den ersten Stunden nach der Geburt auf die Haut der Mutter gelegt.
Babys, die per Kaiserschnitt geboren wurden, fehlt dieser Bakterienmix. Das heißt aber nicht, dass sie nach der Entbindung gar keine Bakterien bekommen. Denn die Personen, die das Baby nach der Geburt halten sind nicht frei von Bakterien. Hinzu kommen noch die Krankenhausbakterien, egal ob es sich um eine Kaiserschnitt- oder Vaginalgeburt handelt.
Um den potentiellen bakteriellen Nachteil bei der Geburt per Kaiserschnitt auszugleichen, gibt es Verfahren wie das “Vaginal Seeding” oder “Bakterienbad” in dem ein Abstrich der Vaginalflüssigkeit der Mutter dem Baby noch im Krankenhaus verabreicht wird. Andere Methoden verwenden eine Mischung aus Darmbakterien der Mutter, vermengt mit der Muttermilch. Welche Methode die beste ist und ob sie überhaupt etwas nützen, wird in wissenschaftlichen Kreisen heiß diskutiert. Wichtig ist dabei, dass die Mutter gesund ist und sich in der Vagina und im Darm etwa keine Streptokokken oder ähnliche gefährliche Bakterien befinden.
Auch wenn die Bakteriendusche der Mutter fehlt, hat ein Baby vier Jahre Zeit sich mit Umwelteinflüssen und einer altersgerechten Ernährung ein gesundes Mikrobiom aufzubauen.
Stillen und Fläschchen
Natürlich ist Muttermilch für Babys die beste Form der Ernährung. Unzählige Studien belegen, dass diese über alle Nährstoffe aber auch Bakterien verfügt, die Babys für eine normale Entwicklung benötigen.
Trotzdem musst du dir keine Sorgen machen, wenn du dein Baby nicht stillst. Das Wachstum der “guten” Bakterien in Babys Mikrobiom kann natürlich auch mit Flaschennahrung unterstützt werden.
Die Ernährung hat einen starken Einfluss auf die bakterielle Zusammensetzung im Darm. Sichtbar wird dies auch beim Stuhlgang. Die Farbe in der Windel weicht aufgrund der in der Nahrung enthalten Bakterien farblich stark ab – das ist aber bestimmt nicht neu für dich.
Kuscheln
Auch Kuscheln ist ein Umwelteinfluss, welcher das Mikrobiom beeinflusst. Durch die wichtigen Kuscheleinheiten mit Mama und Papa erhalten Babys zahlreiche wertvolle Bakterien. Daher: Kuschel-frei! Genießt diese magische erste Zeit miteinander.
Unser Tipp: Informiere dich über die Inhaltsstoffe von Babynahrung.
Und eine Sache bei all den vielen Informationen nicht vergessen: Du machst das toll!
Studien
EUFIC: Der Einfluss der Darmmikrobiota auf die körperliche und geistige Gesundheit. Link
National Library of Medicine: Studie zur Auswirkung einer frühkindlichen Intervention mit Bifidobakterien auf die fäkale Mikrobiota und das Metabolom des gesunden Säuglings. Link
Bundesamt für Risikobewertung: Stellungnahme zum Gesundheitlichen Nutzen von Säuglingsanfangsund Folgenahrung mit Zusatz von „Probiotika“. Link
Science Translational Medicine: Die Darm-Mikrobiota beeinflusst die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke bei Mäusen. Link
Cell: Mütterliche fäkale Mikrobiota-Transplantation bei per Kaiserschnitt geborenen Säuglingen stellt die normale Entwicklung des Darmmikrobioms schnell wieder her. Link