Hallo liebe Christiane, wir freuen uns sehr, dass du dir heute Zeit für uns genommen und uns ins Vivantes Krankenhaus nach Friedrichshain eingeladen hast. Wir sind wirklich überrascht, wie freundlich und schön hier alles ist. Heute wollen wir gerne mit dir über das Thema Kaiserschnitt reden und das Thema enttabuisieren.
Welcher Moment ist für dich bei einer Kaiserschnittgeburt der schönste?
Für mich ist der schönste Moment der, wenn sich Mama und Baby zum ersten Mal berühren. Und dann Haut auf Haut kuscheln können. All das findet noch im OP-Saal statt. Die ersten Bonding-Momente sind für mich einfach die schönsten.
Was ist ein Kaiserschnitt?
Ein Kaiserschnitt, medizinisch auch als Sectio caesarea bezeichnet, ist ein operativer Eingriff zur Geburt eines Babys, bei dem das Neugeborene und die Plazenta durch einen Einschnitt in den Bauch der Mutter entnommen werden. Deshalb spreche ich auch gerne von Bauchgeburt anstatt Kaiserschnitt.
Wann wird ein Kaiserschnitt durchgeführt?
Ein Kaiserschnitt kann primär und sekundär stattfinden. Wobei sich primär, um genau zu sein, darauf bezieht, dass die Geburt noch nicht begonnen hat und sekundär darauf, dass die Geburt schon im Gange ist. Für beide Fälle gibt es viele gute Gründe.
Zu einem primären Kaiserschnitt kommt es meistens, wenn eine vaginale Geburt geburtsunmöglich ist. Dazu zählen Faktoren wie, dass die Plazenta vor dem Ausgang liegt, Erkrankungen oder Angst der Mutter. Kinder sich geburtsunmöglich positioniert haben. Abhängig von der Klinik findet der geplante Kaiserschnitt dann eine oder zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin statt.
Ein sekundärer Kaiserschnitt tritt auf, wenn während der Geburt bestimmte Komplikationen auftreten. Zum Beispiel, wenn der Muttermund vollständig geöffnet ist, das Baby sich jedoch nicht in die richtige Position dreht, um durch das Becken zu gelangen. Normalerweise sollte das Baby den Kopf idealerweise auf die Brust legen, um leichter ins Becken zu gleiten, aber manchmal passiert das einfach nicht. Hinweis: Beckenendlage ist nicht immer ein KO-Kriterium für eine vaginale Geburt.
Wenn trotz zahlreicher Versuche wie dem Einsatz eines Wehentropfs, einer PDA oder verschiedener Positionswechsel der Mutter sich das Baby nicht richtig ins Becken bewegt, kann ein Kaiserschnitt erforderlich sein.
Ein weiterer Grund für einen Kaiserschnitt könnte auch sein, wenn die Herztöne des Babys wiederholt abfallen und das Baby unter starkem Stress steht. In solchen Fällen kann zusätzlich eine Blutprobe vom Kopf des Babys genommen werden, um den Sauerstoffgehalt zu überprüfen. Wenn deutlich wird, dass das Baby unter erheblichem Stress leidet, wird ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Leider ist es unmöglich vorherzusagen, ob ein Kaiserschnitt notwendig sein wird. Erst während des Geburtsprozesses wird entschieden, was der nächste und beste Schritt für die Mutter und das Baby sein wird.
Zwischenfrage: Ist es möglich, ein Baby in die richtige Geburtsposition zu drehen?
Natürlich, in unserem Krankenhaus können Ärzte und Ärztinnen das durchführen. Wenn bereits vor der Geburt festgestellt wird, dass das Baby nicht in der optimalen Position liegt, kann die Frau einen Termin bei uns im Krankenhaus vereinbaren. Dabei wird ein Wehenhemmer verwendet, während das Baby unter Ultraschall- und CTG-Kontrolle (d. h. Kontrolle der Vitalwerte wie der Herztöne des Babys) gedreht wird. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen müssen.
Es gibt nämlich auch Situationen, in denen eine Drehung nicht möglich ist. Zum Beispiel könnte es für die Frau zu schmerzhaft sein, sodass die Ärzt:in das Baby nicht drehen kann. Oder das Baby befindet sich bereits tief im Becken aufgrund fortgeschrittener Wehen. Eine weitere Hürde könnte eine vorderseitig liegende Plazenta sein, Myome, Zysten oder eine vorangegangene Operation an der Gebärmutter. Dazu zählt auch ein nicht vollständig abgeheilter Kaiserschnitt. Denn eine Kaiserschnittnarbe in der Gebärmutter kann bis zu zwei Jahren bis zur vollständigen Heilung benötigen. Selbst dann, wenn die Narbe von außen auf der Haut nicht sichtbar ist bzw. die äußere Narbe auf der Haut wunderbar abgeheilt ist. Am besten kann die Ärzt:in entscheiden, ob es möglich ist, trotz möglicher Risiken das Baby im Mutterleib zu drehen.
Warum entscheiden sich Frauen bewusst für einen geplanten Kaiserschnitt, ohne dass medizinische Gründe vorliegen?
Frauen entscheiden sich möglicherweise für einen geplanten Kaiserschnitt, weil sie Ängste vor der Unvorhersehbarkeit und den Schmerzen einer natürlichen Geburt haben. Die Unsicherheit darüber, wann die Wehen beginnen und wie die Geburt verläuft, kann beängstigend sein. Ein geplanter Kaiserschnitt bietet hingegen eine gewisse Vorhersehbarkeit, da ein genauer Termin festgelegt wird. Einige Frauen äußern auch den Wunsch, ihre vaginale Anatomie zu erhalten – ganz nach dem Motto “save your love channel”.
Aber auch vorangegangene traumatische Geburtserfahrungen können ein Grund sein, sich für einen Kaiserschnitt zu entscheiden. Ganz einfach, um ähnliche Erfahrungen zu vermeiden und eine positive Geburtserfahrung zu gewährleisten.
Ein geplanter Kaiserschnitt ermöglicht es Frauen, den Geburtstermin genau zu kennen und ihre Pläne entsprechend anzupassen. Dies kann für berufstätige Frauen, die ihre Zeit genau einteilen müssen, oder für Paare, die aus anderen Gründen einen festgelegten Zeitpunkt bevorzugen, attraktiv sein.
So oder so, Frauen können sich aus verschiedenen persönlichen Gründen bewusst für einen geplanten Kaiserschnitt entscheiden, auch wenn keine medizinischen Notwendigkeiten vorliegen. Diese Wahl ist ganz der Frau zu überlassen. Als Hebamme kann ich Frauen bei Fragen zum Thema “geplanter Kaiserschnitt” unterstützen, um eine informierte Entscheidung zu treffen.
Wie läuft eine Kaiserschnittgeburt ab?
Eine Kaiserschnittgeburt hat einen standardisierten Ablauf, der sich vom geplanten und ungeplanten Kaiserschnitt nur in der Anfangsphase unterscheidet. Denn auch wenn der Kaiserschnitt nicht geplant ist, zeichnet sich vorher schon ab, wo die Reise hingehen wird.
Vorsicht, ich werde jetzt ein bisschen ausführlicher und anschaulicher. Stoppe mich gern, wenn es zu viel wird.
Bei einer geplanten Bauchgeburt findet vor dem Kaiserschnitt-Termin eine Geburts-Sprechstunde statt. Die Frau wird von der Oberärztin über den Ablauf aufgeklärt und zusätzlich bei einem Termin mit der Anästhesie über die Betäubung – meist eine Spinalanästhesie. In der Klinik bekommt sie für Zuhause auch noch Utensilien für einen Einlauf und eine Magenschutztablette für zu Hause mit.
Zum Termin selbst kommt die Frau nüchtern ins Krankenhaus mit einer gut gepackten Kliniktasche, denn bei einem Kaiserschnitt dauert der Krankenhausaufenthalt ein paar Tage länger.
Und ab jetzt unterscheiden sich geplante und ungeplante Kaiserschnitte kaum noch.
Ablauf der Bauchgeburt
Am Tag des Kaiserschnitts übernimmt erst mal eine Hebamme (oder eine andere medizinische Fachkraft im Krankenhaus) die nächsten Schritte. Sie schaut sich an, ob der Intimbereich rasiert werden muss, macht ein CTG, um die Vitalwerte des Babys (Herzschlag) zu messen, und verabreicht der Mutter eine Infusion (Kochsalzlösung). Dann bekommt die Frau ein Bonding Top an – so ein Spaghettiträger Top ohne Spaghettiträger. Und schließlich zieht sich die Frau noch ein Krankenhaushemd an.
Dann heißt es warten, bis die Anästhesieärzt:in die Frau für den OP-Raum abholt. Gemeinsam laufen Frau, Ärzt:in und Hebamme zum OP, wo dann umgehend die Spinalanästhesie gemacht wird. Danach kommen die Beine in die Beinhalter wie beim Frauenarzt. Die Arme werden festgemacht, damit sie nicht so runter plumpsen und dann kommt noch eine Manschette dran – damit die ganze Zeit die Vitalzeichen der Frau gemessen werden – Sauerstoffsättigung, Blutdruck etc. Dann wird noch ein Blasenkatheter angebracht, sozusagen eine mobile Toilette. Dieser wird nach 24 Stunden wieder entfernt. Der Bauch wird abgewaschen und mit sterilen Tüchern abgedeckt.
Schließlich kommen die Operateure rein. Es wird auch noch mal in den Bauch gezwickt, um zu überprüfen, dass die Frau nichts spürt. Also Berührungen spürt man; aber keinen Schmerz; wie beim Zahnarzt. Dann werden die verschiedenen Hautschichten aufgeschnitten – darüber können Operateure mehr erzählen – das Baby rausgeholt, das Gesicht abgewischt, abgenabelt und über den Vorhang gehalten, damit die Mama das Baby schon mal sehen kann.
Die Hebamme steht mit einem sterilen Tuch daneben und nimmt das Baby. Wenn das Baby fit und gut drauf ist, wird es erst mal zur Mutter für das erste Küsschen und Wangenkontakt gebracht.
Danach schaut sich die Kinderärzt:in das Baby genau an. Erst dann kommt die Hebamme mit dem Baby zurück und steckt es in das Bonding Top. Dann kommt noch ein warmes Handtuch drüber. Jetzt kann weiter gekuschelt werden, während die Hautschichten der Mutter wieder zugenäht werden. Ach, und davor kommt natürlich die Plazenta auch über den Bauch raus.
Nach der Bauchgeburt
Das Baby bleibt dann bei der Mama und die Mama wird vom OP-Raum umgelagert in ihr Patientenbett. Die Hebamme überwacht die Mama noch für drei weitere Stunden, checkt die Vitalwerte, den Verband, die vaginale Blutung und tastet den Bauch vorsichtig ab. Ebenfalls überprüft sie, ob das Neugeborene von der Brust trinkt, macht die U1, misst das Gewicht des Babys usw.
Kaiserschnittnarbe, wovon hängt es ab, wie die Narbe aussieht?
Typischerweise verläuft die Narbe eines Kaiserschnitts oberhalb des Schamhaar-Saums. Der Schnitt erfolgt normalerweise horizontal, es sei denn, es treten Komplikationen auf. In solchen Fällen kann auch ein vertikaler Schnitt erfolgen, um einen größeren Zugang zur Bauchhöhle zu ermöglichen.
Wie die Narbe letztendlich aussieht, variiert stark von Frau zu Frau und hängt nicht unbedingt mit der Art des Schnitts zusammen. Einige Frauen haben eine ausgezeichnete Wundheilung, während andere weniger Glück haben. Dies kann zu einer Narbe mit erhöhter Gewebemasse führen. Manchmal hängt es auch davon ab, wie sorgfältig die Nähte gesetzt wurden.
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Wie pflegt man eine Kaiserschnittnarbe am besten?
Zu Beginn wird ein Verband auf die Wunde gelegt. Anschließend ist es entscheidend, die Wunde regelmäßig zu desinfizieren. Beim Duschen sollte Wasser sanft darüber fließen, gefolgt von einem vorsichtigen Trockentupfen. Manche bevorzugen es, eine Damenbinde aufzulegen, um die Wunde trocken zu halten. Ein Bauchgurt kann ebenfalls hilfreich sein. Alternativ kann auch die Verwendung eines Lasers in Betracht gezogen werden, entweder unter Anleitung einer Hebamme oder durch Ausleihen eines Softlasers für den Heimgebrauch. Darüber gibt es Öle und Cremes, die nach Abschluss der Wundheilung zur Massage verwendet werden können.
Rückbildung nach Kaiserschnitt?
Die frühzeitige Rückbildungsgymnastik, die Aspekte wie Mobilisation und Prävention von Thrombose und Lungenentzündung umfasst, kann bereits in den ersten Tagen nach der Geburt durchgeführt werden.
Ein klassischer Rückbildungskurs in einer Gruppe mit anderen Frauen beginnt normalerweise etwa 8 Wochen nach der Bauchgeburt. Dabei ist es wichtig, individuell zu berücksichtigen, wie es der Frau zu diesem Zeitpunkt geht. Wenn eine Frau sich nach 3 Wochen bereits wieder sehr fit fühlt, kann sie auch schon 6 Wochen nach der Geburt einen Kurs besuchen.
Ein Kaiserschnitt stellt eine der größten Bauchoperationen dar, bei der mehrere Schichten des Körpers durchtrennt werden. Daher benötigt der Körper Zeit, um sich zu erholen. Wichtig: Trotzdem belastet ein Kaiserschnitt auch den Beckenboden.
Welche Mythen zum Thema Kaiserschnitt begegnen dir immer wieder? Gibt es einen, der dich nervt?
Mir begegnet immer wieder der Irrglaube, dass Ärzt:innen sich im Kreißsaal vorschnell für einen Kaiserschnitt entscheiden würden – aus finanziellen Gründen. Diese Erfahrung habe ich in meinem Berufsleben bisher noch nicht gesammelt.
Gerede bei dem Gerücht “Krankenhäuser tendieren zu Kaiserschnitten” frage ich mich immer wieder, welches Krankenhaus genau? Meiner Meinung nach kann man hier nicht alle Krankenhäuser über einen Kamm scheren. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Hebamme oder ein:e Ärzt:in früh morgens aufsteht und sagt: „So, jetzt machen wir der Chefärzt:in mal einen Gefallen, jetzt machen wir mal sieben Kaiserschnitte und am nächsten Tag kriegen wir einen schönen Bonus”.
Eine Geburt, egal wie gut man sie geplant hat, bleibt immer unberechenbar. Im Grunde kann man eine Geburt nicht wirklich planen, weil Babys am Ende immer das machen, was sie wollen.
Herzlichen Dank Christiane für unser Gespräch und auch für deine ausführliche Antwort zum Ablauf eines Kaiserschnittes. Es hat sehr viel Freude gemacht, mit dir zu reden und wir hoffen, dass wir gemeinsam ein bisschen Klarheit über das Thema Kaiserschnitt schaffen können.
Über Christiane
Christiane Hammerl ist freiberufliche Beleghebamme in Berlin. Beleggeburten begleitet sie im Klinikum Vivantes Friedrichshain. Als Hebamme betreut sie auch junge Familien während der Schwangerschaft und im Wochenbett. Ihr Fokus liegt auf der 1:1 Geburtsbetreuung. Du findest Christiane auf Instagram: @Hebamme_Christiane und @Hebammenzimmer.berlin.
Wir haben Christina auch zum Thema Dammschnitt interviewt.
Quelle
https://www.destatis.de/ Fast ein Drittel aller Geburten im Jahr 2021 durch Kaiserschnitt
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