Lasst uns zunächst einmal den Begriff Doula grob definieren bevor wir auf den Hintergrund und die Erfahrung von Shanay als Doula eingehen werden:
Eine Doula (von altgriechisch δούλη doúlē, deutsch ‚Dienerin, Sklavin, Magd') ist meist aber nicht ausschließlich selbst eine geburtserfahrene Mutter, die Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen als nicht-medizinische Helferin begleitet. Doulas sorgen zusätzlich zur Hebamme für eine Geburt in Geborgenheit und Würde. Aber nicht nur das. Es gibt ebenfalls Doulas, die sich darauf spezialisiert haben Menschen bei einem würdevollen Tod zu begleiten.
Übrigens, Shanay kommt aus Australien und ihre Muttersprache ist Englisch. Aus diesem Grund haben wir das Interview auf Englisch geführt und auf Deutsch übersetzt.
Beginnen wir mit dem Interview. Hallo Shanay, herzlichen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast.
Warum bist du Doula geworden?
Meine eigene Doula hat mich vor 10 Jahren bei der Geburt meines ersten Babys inspiriert. Es wurde sanft zu Hause im Wasser geboren. Meine Doula war für mich ein wichtiger Teil dieser Reise. Ich habe die Geburt in all ihren Formen geliebt und war neugierig darauf mehr über Geburten und Gebären zu lernen.
Ich habe beobachtet, dass das System für Geburten in großen Schwierigkeiten steckt, weil es an Personal in den Krankenhäusern mangelt, das eine 1:1-Betreuung bieten sollte und nicht eine 1:4-Betreuung. Das verursacht viel zu viele unnötige Traumata, zu hohe Kaiserschnittraten und Interventionen.
Deshalb wollte ich etwas bewirken und fühlte mich berufen, rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu unterstützen, um zu ändern, wie die Menschen über Geburt denken. Nach drei positiven Geburten wusste ich, dass es an der Betreuung lag, die ich erhielt, und an meinem Wissen darüber, wie eine Geburt tatsächlich ablaufen kann.
Was ist deine persönliche Philosophie zum Thema Geburt?
Ich verstehe die Geburt als einen heiligen Übergangsritus für Frauen: eine lebensverändernde Erfahrung, die Wissen, Wachstum und Entdeckung mit sich bringt.
Mein Wunsch ist es, meinen Frauen einen Raum zu bieten, in dem sie gehört, respektiert und geliebt werden. Viele verstehen die Geburt als einen natürlichen Prozess, für den ein Frauenkörper perfekt gemacht ist. Aber manchmal ist es eben einfach nicht so, nicht jeder Frauenkörper ist gleich konzipiert oder programmiert. Wir müssen auch die Vergangenheit, das Geburtssetting und die aktuelle Lebenssituation berücksichtigen. Auch spielt das Umfeld wie Freunde und Familie eine Rolle. Vielleicht haben diese selbst nie eine positive Geburtsgeschichte erlebt oder sind mit Angst vor der Geburt aufgewachsen, weil ihre Mütter eben selbst keine schöne Geburt hatten.
Ich kann kein Geburtsergebnis garantieren, aber ich verspreche die richtigen Fragen zu stellen. Für mich hat eine conscious birth gegenüber einer empowered brith Vorrang. Bei einer Geburt muss man keine festen Erwartungen haben, sondern vielmehr im Moment leben. Die Geburt deines Babys sollte ein glücklicher und aufregender Moment sein, aber manchmal ist es das nicht und das ist auch in Ordnung. Es muss nicht immer alles durchgeplant sein.
Wie würdest du deine Arbeit als Doula beschreiben?
Vertrauensvoll, fürsorglich und sanft, eine professionelle Freundin, würde ich sagen. Ich biete meinen Frauen einen nährenden Raum und folge meiner Intuition, auf die ich mich bei Besprechungen und Geburten oft verlasse. Zu erkennen, was die einzelnen Frauen brauchen, um eine friedliche Geburt zu erleben.
Wie unterstützt du Frauen, die in den Wehen liegen?
Bei meinen Frauen bin ich von der 38. bis zur 42. Woche auf Abruf bereit, d. h. wenn die Wehen einsetzen, können sie mich jederzeit anrufen.
Wir machen gemeinsam einen Plan, wann ich zu ihnen kommen soll, ich schaue oft vorbei und gebe dem Partner in der Zwischenzeit Tipps, was er tun kann, wenn die Gefühle überhandnehmen. In der Regel komme ich dann zu den Paaren nach Hause, damit wir nicht zu früh ins Krankenhaus gehen. Zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um ins Krankenhaus zu gehen, ist für die Paare ein großer Stressfaktor. Zuhause können wir gemeinsam mit Massagen, Visualisierungs- und Atemübungen, Stimmcoaching und positiven Sprüchen, einer ruhigen Umgebung mit gedämpftem Licht und Bewegungsfreiheit mit den Wehen umgehen. Und wenn sie es wünschen im Krankenhaus oder im Geburtshaus damit weitermachen.
Hast du einen besonderen Doula-Trick, um Frauen zu helfen?
Oftmals lieben die Frauen eine sanfte Rückenmassage und leichte Berührungen. Während der Wehen weiß ich oft schon, was sie brauchen, bevor sie es brauchen, und sei es nur ein Schluck Wasser oder ein kühlendes Handtuch für ihr Gesicht.
Ich wende auch die Technik des Spinning Babies an. Sie ermöglicht eine optimale Positionierung des Fötus mit einfachen Übungsschritten und der Verwendung eines langen, festen Stoffes. Denn während der Geburt passt sich das Baby an jede Kurve im Geburtskanal an, indem es durch das Becken sinkt und sich dreht. Diese Drehungen des Babys werden als "fetale Rotation" bezeichnet. Wenn die fetale Rotation erleichtert werden kann, wird die Geburt für alle Beteiligten einfacher.
Ich bin gerne ehrlich und sage den Frauen wie es ist. Da ich schon fast über 90 Geburten miterlebt habe, kann ich aus Erfahrung sprechen und gut einschätzen was ihnen in diesem Moment besonders gut tut.
Wie arbeitest du mit dem Partner:in der werdenden Mutter zusammen?
Wir sind ein Team. Ich erkläre meinen Frauen gerne, dass der Partner sie besser kennt als jeder andere. Meine Anwesenheit trägt nur dazu bei, dem Partner zu helfen für die Frau da zu sein, eben so wie es für sie am angenehmsten ist.
Wenn der Partner sieht, dass ich seine Fraue unterstütze, fühlt er sich in entlastet und der Druck liegt dann nicht auf ihm sonder auf mir, so dass er die Geburt genießen und präsent sein kann. Wehen können auch LANG sein, deshalb ist es wichtig, sich mit dem Partner abzustimmen. So gibt es die Möglichkeit für kleine Pausen, während ich die Geburt unterstütze.
Manchmal ist das Paar bis zu 3-4 Stunden allein im Krankenhauszimmer. Wenn das Paar Privatsphäre und Zeit für sich haben möchte, sind Doulas sehr intuitiv, so dass wir wissen, wann sie dies brauchen. Die Partner fühlen sich meist sehr hilflos und wollen helfen, wissen aber oft nicht, wie. Ich empfehle gerne nach der Hand zu greifen: Lieber Partner, sei die starke Stütze und umarme deine Frau! Es reicht, wenn du da bist, du musst nicht immer etwas tun.
Was ist der Unterschied zwischen einer Doula und einer Hebamme?
Ich arbeite mit ALLEN Schwangeren und Gebärenden, die eine natürliche, Kaiserschnitt- oder VBAC-Geburt (vaginale Geburt nach Kaiserschnitt) planen, egal ob zu Hause, im Geburtshaus oder im Krankenhaus. Die Rolle einer Geburtsbegleiterin besteht darin, sie während der gesamten Geburt mit emotionaler Stabilität, körperlichem Komfort und Urteilsfreiheit zu unterstützen.
Es geht auch darum ihnen evidenzbasierte Informationen zu geben, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können, und Gespräche mit der Geburtshelferin anzuregen, um eine bewusste Entscheidung treffen zu können.
Die Anwesenheit einer Doula trägt dazu bei, das Risiko von Interventionen und Einleitungen zu senken und den Bedarf an Schmerzmitteln zu verringern. Eine Doula gibt den werdenden Paaren das Vertrauen, so zu gebären, wie sie es wünschen, und bringt sie in eine Position der Sicherheit in einer fürsorglichen Umgebung. Wenn man all die monatlichen Tests und die medizinischen Gespräche mit den Leistungserbringern weglässt, bleibt ein offener Raum, in dem man darüber sprechen kann, wie man sich tatsächlich in seinem Körper fühlt, und in dem es um einen selbst und nicht um das Baby geht.
Hebammen sind qualifizierte, sachkundige und einfühlsame Pflegekräfte, die medizinische und in manchen Fällen auch ganzheitliche Unterstützung rund um Schwangerschaft, Geburt und das frühe Wochenbett bieten. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass die Frau und ihr Baby während der Schwangerschaft, der Geburt und unmittelbar nach der Geburt gesund und sicher bleiben. Hebammen machen häufig Hausbesuche (in der ersten Woche nach der Geburt jeden Tag oder jeden zweiten Tag), um die Genesung, das Wohlbefinden des Babys und die Pflege des Neugeborenen zu überwachen und alle Fragen und Bedenken zu klären, die du möglicherweise hast.
In Deutschland gibt es viele verschiedene Arten von Hebammen. Du bekommst eine Hebamme in dem von dir gewählten Krankenhaus zugewiesen, die du noch nie zuvor getroffen hast. Aber du kannst auch eine eigene private Hebamme mitbringen, eine sogenannte Beleghebamme. Eine persönliche Betreuung ist so wichtig.
Du kannst zu 110% sowohl Hebamme als auch Doula haben. Und ich ermutige dich auch dazu, wenn du diese Unterstützung brauchst. Um es einfach auszudrücken, eine Hebamme ist ein ausgebildeter Gesundheitsdienstleister und eine Doula ist in gewisser Weise ein Geburtscoach. Die Bedeutung von "Hebamme" ist "mit der Frau", während die Bedeutung von Doula "im Dienste der Frau" ist.
Wie arbeitest du als Doula mit einer Hebamme oder einem Arzt zusammen?
Doulas sind in einigen Berliner Krankenhäusern durchaus willkommen und akzeptiert, in anderen jedoch noch nicht. Das ist schade, denn wir könnten wirklich zusammenarbeiten, um die Geburt besser zu gestalten und gesündere Ergebnisse für die Mütter zu erzielen. Da wir freiberuflich tätig sind und unabhängig arbeiten, komme ich mit offenen Armen, Herz und Verstand und mit Respekt in den Raum. Ich treffe keine Entscheidungen und spreche auch nicht in deren Namen mit dem Personal oder der Hebamme.
Ich arbeite nicht für das Krankenhaus, daher ist es wichtig, dass ich professionell auftrete, als Team arbeite und meine Frauen ermutige, ein Gespräch mit dem medizinischen Personal zu führen. Meine Frauen und ihr Partner können sich darüber klar werden, was sie in diesem Moment brauchen, anstatt eine Entscheidung zu treffen, die auf Angst und Zeitdruck beruht. Ich spreche kaum mit dem Personal, sondern unterstütze meine Frauen, und wenn sie Fragen stellt, bin ich da, um Vorschläge zu machen und unsere BRAIN-Methode anzuwenden.
Doulas haben unterschiedliche Persönlichkeiten und Ausbildungen, genau wie Hebammen.
Was ist die BRAIN-Methode?
Ich verwende diese Methode häufig im Krankenhaus, wo ich den Partnern beibringe, die Kommunikation mit dem Personal zu öffnen, so dass wir, wenn eine Entscheidung ansteht, diese auf der Grundlage einer logischen Entscheidung treffen können und nicht auf der Grundlage von Angst oder dem Gefühl, unter Druck zu stehen, was zu tun ist. Sogar in vorgeburtlichen Treffen können wir das nutzen.
B- Benefits - Nutzen, was ist der Grund dafür? Warum und wie kommt es mir und dem Baby zugute?
R- Risks - was sind die Risiken für mich und das Baby? Wie hoch ist der Prozentsatz oder das Ergebnis?
A- Alternatives - (mein Favorit) Welche Möglichkeiten habe ich? Wenn man sie nicht kennt, hat man sie nicht. Was können wir sonst noch versuchen oder tun? I- Intuition - Was sagt mir mein Bauchgefühl? Wenn ich denke, dass ich mehr Zeit brauche, oder wenn ich weiß, dass es das Richtige ist, dann spüre ich es einfach.
N- Nothing - was passiert, wenn wir nichts tun oder mit anderen Worten, was passiert, wenn wir warten, können wir mehr Zeit haben
S- Second Opinion - kann eine andere Hebamme oder ein anderer Arzt noch einmal überprüfen, was Sie gerade gesagt haben. Wir werden mit einem anderen Berater sprechen, bevor wir uns entscheiden.
Vielen Dank für das tolle Gespräch Shanay. Du hast uns tolle Einblicke in die wertvolle und wichtige Arbeit als Doula gegeben.
Über Shanay Rocker
Shanay ist eine international zertifizierte Doula. Sie ist Mutter von drei Kindern und hat sich von ihren eigenen Geburtserlebnissen dazu inspirieren lassen Doula zu werden. Shanay hat über 90 Geburten und mehr als 100 Familien im Wochenbett begleitet und bietet Unterstützung auf der Grundlage von Erfahrungen und einer non-judgmental Beratung an. Sie hat Ausbildungen und Fortbildungen bei renommierten Geburtsfachleuten wie Michel Odent, Debra Pascali-Bonaro und Liliana Lamers absolviert. Zusätzlich ist sie als Plazenta-Encapsulation-Spezialistin ausgebildet und hat eine Erste-Hilfe-Zertifizierung für Säuglinge und Kinder.
Mehr über Shanay auf ihrer Webseite oder ihrem Instagram-Account. Zusätzlich ist Shanay Co-Gründerun von Mama Muun, einem Online Shop für Restoritive und Postpartale Ernährung.
Mehr zum Thema Geburt in unserem Magazin: Welcher Geburtsort ist der richtige für mich?
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