Wir bei Löwenzahn Organics sind bunt. Damit meinen wir, dass Elternschaft bei uns bunt ist. Ob hetero oder queer, das spielt für uns keine Rolle. Und warum reden wir dann darüber? Weil es eben gesellschaftlich doch nicht egal ist. Nach kurzer Recherche sind wir auf einen Artikel des Regenbogenportals gestoßen. Hier haben Dr. Elke Jansen (Psychologische Psychotherapeutin) und Kornelia Jansen (Systemische Familienberaterin) 6 konkrete regenbogenspezifische Herausforderungen aufgelistet:
- Die Rechtfertigung des eigenen Kinderwunsches
- Verwirklichung des Kinderwunsches
- Doppelte rechtliche Absicherung leiblicher Kinder durch Stiefkindadoption
- Vorbereitung der Kinder gegenüber möglichen Diskriminierungen
- Das alltägliche Coming-out als Regenbogenfamilie
- Den allgegenwärtigen Bewährungsdruck als gleichwertige Familienform
Vorsicht, die genannten Beispiele müssen natürlich nicht auf alle Regenbogenfamilien zu treffen. Wir haben beispielhaft drei Elternpaare genauer zu ihren persönlichen regenbogenspezifischen Herausforderungen befragt:
Kira und Saskia haben 2020 standesamtlich geheiratet und ihre Zwillinge sind 2021 geboren. Beide sind beruflich als Content Creatorinnen tätig und erzählen von ihrem Leben als Frauenpaar, ihrem Kinderwunschweg und dem stinknormalen Alltag mit Zwillingen auf https://www.bunterleben.family/.
Julia und Nina haben 1,5 Jahre lang versucht ihren Kinderwunsch zu verwirklichen und 2021 sowohl standesamtlich als auch kirchlich geheiratet. Ihr Sohn ist 2022 zur Welt gekommen. Julia ist Mitarbeiterin bei Löwenzahn Organics und gerade in Elternzeit.
Kathi und Nicole sind seit 2015 als Paar zusammen. Nicole hat bereits zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht. 2021 haben sie sich den Traum vom Haus im Grünen erfüllt und leben dort mit zwei Teenagern und einem Hund. Kathi ist Finance Admin bei Löwenzahn Organics und nebenbei noch unsere Office-Mami.
Wie seid ihr an das Thema Familiengründung herangegangen?
Kira und Saskia:
Wir wussten von Beginn unserer Beziehung an, dass wir Kinder wollen. Schnell merkten wir, dass das eher früher als später unser Wunsch ist. Tatsächlich wurden wir vor unseren eigenen Kindern, aber erst einmal Bereitschaftspflegeeltern.
Wir nahmen mehrere Babys bei uns auf, die aus ihrer Herkunftsfamilie genommen werden mussten. Ein Baby blieb bei uns für 4,5 Monate. Da war der Abschied am Ende sehr schwer und wir wussten, nach einer kurzen Babypause möchten wir nun unseren persönlichen Kinderwunschweg einleiten. Wir haben uns informiert und eine zu uns passende Kinderwunschklinik gefunden.
Wir haben uns dort super wohl gefühlt und es hat uns auch nicht gestört, dass wir diesen Umweg gehen mussten, um unseren Kinderwunsch zu erfüllen. Abgesehen davon, dass es sehr kostspielig werden kann.
Julia und Nina:
Für uns war von Anfang an klar, dass wir eine Familie gründen wollen. Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, haben wir uns mit verschiedenen Kinderwunschkliniken sowie deutsche und dänische Samenbanken beschäftigt.
Am Ende fiel unsere Wahl auf eine Berliner Kinderwunschklinik, die mit der dänischen European Sperm Bank zusammenarbeitet. Wir haben uns für die European Sperm Bank entschieden, weil sie - im Vergleich zu den Berliner Samenbanken - viele Informationen über den Spender zusammenstellt, die über das Optische hinausgehen. So haben wir neben Haarfarbe, Größe etc. auch einen Lebenslauf, eine Stimmprobe, ein Interview, ausführliche Gesundheitsdaten sowie eine subjektive Einschätzung des Spenders von einem Mitarbeiter der Samenbank erhalten.
Anschließend ging die ganze Behandlung erst richtig los. Insgesamt hat der Prozess vom ersten Termin bis zur Geburt unseres Sohnes 2,5 Jahre gedauert.
War es für euch einfach zu entscheiden, wer von euch schwanger werden möchte?
Kira und Saskia:
Ja, definitiv. Es war von vorneherein klar, dass Kira schwanger wird. Es war schon immer ihr Wunsch, einmal schwanger zu sein, und Saskia weiß bis heute nicht, ob sie überhaupt mal schwanger werden möchte.
Julia und Nina:
Ja, es war relativ schnell klar, dass ich das Kind austragen werde. Ich hatte schon immer einen ganz großen Wunsch, eine Familie zu haben und selbst eine Schwangerschaft zu erleben und ein Kind austragen zu dürfen.
Musstet ihr euren Kinderwunsch in eurem sozialen Umfeld und gegenüber euren Familien rechtfertigen?
Kira und Saskia:
Nein, nie. Wir sind ein Paar, das sein Leben miteinander teilt. Für alle war es logisch, dass wir über kurz oder lang Kinder bekommen. Alle wissen, dass wir uns beide immer schon Kinder gewünscht haben und als es dann soweit war, haben sie sich mit uns gefreut.
Julia und Nina:
Wir mussten unseren Kinderwunsch glücklicherweise noch nie vor irgendjemandem rechtfertigen. Unser gesamtes soziales Umfeld hat uns in der nicht immer leichten Zeit des Kinderwunsches sehr unterstützt.
Welche Grauzonen und Hürden sind euch bei der Verwirklichung eures Kinderwunsches begegnet?
Julia und Nina:
Der Weg in die Kinderwunschklinik kann eine hohe finanzielle Belastung mit sich bringen. Angefangen vom Spendersamen bis hin zur Behandlung an sich – natürlich steigen die Kosten, je mehr Versuche benötigt werden und je aufwendiger die gewählte Methode ist.
Leider sind homosexuelle Paare mit Kinderwunsch hinsichtlich der finanziellen Unterstützung noch immer nicht mit heterosexuellen Paaren gleichgestellt.
Homosexuelle verheiratete Eheleute werden von den Krankenkassen finanziell nicht unterstützt. Im Vergleich dazu werden die Behandlungskosten heterosexueller Ehepaare, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können, teilweise übernommen. Das heißt, meine Frau und ich tragen sämtliche Kosten der Kinderwunschbehandlung selbst.
Neben den Krankenkassen bezuschussen auch die Bundesländer die Behandlungskosten von heterosexuellen Eheleuten. Berlin ist eines der wenigen Bundesländer, die mittlerweile auch homosexuelle Paare unterstützen. Es handelt sich im Hinblick auf die oft hohen entstehenden Kosten zwar nur um einen verhältnismäßig geringen Zuschuss, hat uns aber dennoch das Gefühl gegeben, gesehen und zu werden.
Wie seid ihr mit dem Thema Sorgerecht und Stiefkindadoption umgegangen?
Julia und Nina:
Wir haben uns als verheiratetes Paar gemeinsam dazu entschieden, ein Kind zu bekommen. Trotzdem stehe aktuell nur ich in der Geburtsurkunde und wir müssen den Prozess der Stiefkindadoption durchlaufen, damit auch Nina das Sorgerecht für Johann erhält. Teil dieses Prozesses sind bei uns u.a. ein Termin beim Notar, das Einreichen verschiedener Dokumente sowie das persönliche Erscheinen beim Gericht sowie ein Hausbesuch vom Jugendamt. Es ist ein langwieriger, für uns absolut nicht nachvollziehbarer und unnötiger Prozess.
Kira und Saskia:
Wir hatten keine Angst, dass der Antrag abgelehnt werden könnte o.ä., auch wenn wir das schon bei anderen Familien mitbekommen haben. Für uns war das einfach etwas, was erledigt werden musste. Eine Formalität. Dennoch einfach unfair und unberechtigt. Wir haben auch vorher keinen Vertrag aufgesetzt, der uns Sicherheit gegeben hätte. Denn wäre Kira bei der Geburt etwas passiert, hätte Saskia keinerlei Rechte gehabt. Dasalleinige Sorgerecht lag bei Kira. Erst durch die Stiefkindadoption haben wir das geteilte Sorgerecht.
Wie bereitet ihr eure Kinder gegenüber möglichen Diskriminierung vor?
Kathi und Nicole:
Ich glaube, wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir noch keiner wirklichen Diskriminierung begegnet sind. Weder von unseren Familien, Freunden oder unserem Umfeld. Da wir aber wissen, dass unsere Kinder leider noch immer in den Schulen mit viel Diskriminierung konfrontiert werden können, haben wir ihnen gesagt, dass sie selbst entscheiden können, wem und wann sie von ihren zwei Mamas erzählen möchten. Bei den engsten Freunden und Familien der Kids musste nie etwas groß erklärt werden. Familie war und ist Familie, egal in welcher Konstellation.
Wie geht ihr mit dem täglichen Coming-out als Regenbogenfamilie um?
Kathi und Nicole:
So oft gibt es für uns kein Coming-out mehr. Auch als wir 2021 umgezogen sind, haben es alle neuen Nachbarn als total normal angenommen. Ich denke, aber auch als weibliches gleichgeschlechtliches Paar hat man es, ich will nicht sagen einfacher, aber es wird von der Allgemeinheit anders/besser akzeptiert als ein männliches gleichgeschlechtliches Paar.
Wann und wo geratet ihr in Situationen, euch als gleichwertige Familienform beweisen zu müssen?
Kathi und Nicole:
Ich erinnere mich an eine Situation in den ersten Jahren unserer Beziehung, als wir mit den Kids in ein Schwimmbad wollten. Wir haben damals keine Familienkarte bekommen, da wir als gleichgeschlechtliches Paar nachweisen sollten, dass wir zusammen leben. Zu dem Zeitpunkt war das aber noch nicht der Fall. Als Familie mit zwei Müttern haben wir dann keine Familienkarte bekommen.
Kira und Saskia:
Tatsächlich haben wir bisher keine negativen Erfahrungen gemacht. Als Frauenpaar hat man es leichter als ein Männerpaar. Oft kriegen wir eher Kommentare wie: Das ist ja super, gleich zwei Mamas! (Als ob Papas einen schlechteren Elternteil abgeben würden).
Wir hatten bisher auch einfach viel Glück, dass wir so gut wie keine Diskriminierung erlebt haben und auch nicht das Gefühl haben, uns beweisen zu müssen. Das liegt aber sehr wahrscheinlich an unserer Bubble.
Homosexuelle Paare sind außerdem häufig zurückhaltender mit umschwänglichen Liebeszuneigungen in der Öffentlichkeit. Denn es kommen immer Blicke. Die müssen nicht negativ sein, aber dennoch schauen einen die Leute an und das ist zumindest uns unangenehm. Da ist immer die kleine Frage im Kopf, ob sie uns in dem Moment verurteilen. Dies passiert bei Familien mit Mama und Papa nicht. Wir hoffen, dass es in Zukunft einfach "normaler" wird.
Dankeschön und Schlussworte
Einen herzlichen Dank an unsere Gesprächsparterninnen! Uns ist klar, dass es noch viel mehr Herausforderungen gibt und die Herausforderungen von einem Elternpaar aus zwei Frauen sich von denen von anderen Gender-Konstellationen, zum Beispiel zweier Papas unterscheiden können.
Spannende Artikel zum Thema Queere Elternschaft:
Samenspenderregistergesetz: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/s/samenspenderregister/faqs-samenspenderregistergesetz.html
Absstammungsrecht:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165909.abstammungsrecht-queere-elternschaft-als-finanzielles-privileg.html
Regenbogenportal:
https://www.regenbogenportal.de/informationen/aktuelle-herausforderungen-fuer-regenbogenfamilien
Göthe Universität: Soziologin untersucht die Elternschaft lesbischer/queerer Paare: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/soziologin-untersucht-die-elternschaft-lesbischer-queerer-paare/
Das Leben einer polyamoren Patchwork-Familie:
https://vielgeliebt.net/
European Sperm Bank:
https://www.europeanspermbank.com/da-de